Geothermie Landau

Bundesverband der Bürgerinitiativen 02.07.21

Bundesverband der Bürgerinitiativen

veröffentlicht offenen Brief an Frau Ministerin Walker, Baden-Württemberg

 

Inhaltlich treffen die Ausführungen auch auf die Geothermiekraftwerke Insheim und Landau in RLP zu

 

 

Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie in Karlsruhe

Facebook: BI.TiefengeothermieKarlsruhe

Kontakt: bi.tiefengeothermiekarlsruhe@web.de

 

An die Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Thekla Walker

 

01.07.21

Sehr geehrte Frau Walker,

vom 7. bis 8. Juli 2021 diskutieren Sie beim Energiewendekongress Baden-Württemberg mit der Erneuerbaren-Branche über den Weg zur Klimaneutralität: Schwerpunkte des digitalen Kongresses sind Ziele und Maßnahmen der aktuellen Energiepolitik im Südwesten, denn dieser will bis 2040 klimaneutral werden.

Der Kongress wird von der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V. veranstaltet. Dort im Vorstand ist Lutz Stahl, der wie Ihnen sicher bekannt gleichzeitig Geschäftsführer der Deutschen Erdwärme ist. Neu im geschäftsführenden Vorstandsteam ist Ron Zippelius, auch von der Deutschen Erdwärme.

Dies nehmen wir zum Anlass, Sie auf die Problematik der Tiefengeothermie speziell in Karlsruhe Neureut wie auch allgemein im Großraum Karlsruhe und im ganzen Oberrheingraben hin anzusprechen.

Wir erkennen deutlich, dass der Klimawandel besondere Anforderungen an Politik und Gesellschaft stellt. Wir begrüßen auch ausdrücklich den Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese Woche hat der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit der Stadt Karlsruhe den Monitoringbericht und 1. Fortschreibung zum „Entwurf Klimaanpassungsstrategie 2021“ unter Vorsitz der grünen Bürgermeisterin Bettina Lisbach vor­beraten und dem Gemeinderat zur Annahme empfohlen. Die darin aufgelisteten Maßnahmen sind beacht­lich und die Feststellungen verdienen durchaus Unterstützung:

„Karlsruhe soll ein Wohnort mit hoher Lebensqualität und eine grüne Stadt sein“, wobei Frau Lisbach in ihrem Vorwort betont, dass der Klimawandel spürbarer und sichtbarer werde mit „lokalen Auswirkungen“ auf Wohlbefinden und Gesundheit, weshalb die Stadt „klimaresilient“ zu gestalten sei. Wunderbar! Im Do­kument wird dann betont, städtebauliche Strukturen seien „klimaoptimiert auszugestalten, die bei neuer Bebauung eine Durchlüftung des neuen und der angrenzenden Gebiete erlaubt, die Begrünung von Dä­chern, Fassaden und Freiflächen, die Versickerung und Zwischenspeicherung von Regenwasser“, dies alles sei mit einer „effizienten Grünordnung“ garantiert. Super! Die theoretischen Begründungen zu den „Hand­lungsfeldern“ (HF) liefern durchweg gutgemeinte Anregungen, insbesondere im HF Energie, wo die Aus­weitung einer „energieeffizienten, klimafreundlichen Klimatisierung“ gefordert wird. Ohne die Tiefengeothermie namentlich zu nennen, wird sie wohl bei den „regenerativen Energien“ subsumiert, im Klima­schutzkonzept 2030 der Stadt Karlsruhe zugleich unkritisch positiv vermerkt und von Frau Lisbach bei jeder sich bietenden Möglichkeit auf kommunalen Ebenen politisch „promotet“, indem sie die Tiefengeothermie mit einem „grünen Etikett“ dekoriert und als „sinnvoll“ anpreist, zur Freude und Genugtuung der erst am 22. Mai 2018 gegründeten und am 18.01.2019 bereits wieder im Handelsregister Mannheim gelösch­ten Betreiberfirma, jetzt mit Sitz in Grünwald bei München, einer Gewerbesteuer-Oase, mit einem dahin­terstehenden, eher anonymen “skandinavischen“ Risiko-Investor.

Die Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie in Karlsruhe hat auf ihrer gleichnamigen Facebookseite die erheblichen Risiken einer solchen Anlage sachlich dargestellt und die politisch Verantwortlichen aufge­fordert, zuvorderst die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zum Maßstab ihrer Entscheidung zu machen und nicht die Interessen eines Unternehmens, das bisher keine einzige, störungsfrei arbeitende Refe­renzanlage in eigener Regie nachweisen kann und zugleich alle Risiken und Gefahren kleinredet oder abstreitet.

Tiefengeothermie - „ grüne“ Hoffnung oder wie die Bürgerinnen und Bürger desorientiert werden

Die bisherigen Erfahrungen mit vielen induzierten Erdbeben, besonders im seismisch aktiven Oberrheingra­ben, dadurch ausgelösten Schäden an Eigentum (Bestandsbauten), damit verbundene langwierige und kostspielige, meist vergebliche Schadensersatzstreitigkeiten (Projekt Vendenheim/Straßburg deshalb von der Präfektur kurzerhand gestoppt), Gefahren für das Grundwasser, andauernde Lärmbelästigungen in der Bohrphase wie auch nach Inbetriebnahme über die ca. 40 aneinandergebauten 4 bis 5 Meter breiten und 12 Meter hohen Kühltürme mit ihren Ventilatoren, die einen nervigen Dauer-Tinnituston und stetes Rauschen erzeugen (siehe Videos auf unserer Facebookseite von den Anlagen Insheim/Landau), bei gleichzeitig erheblicher Wärme­freisetzung in die Umwelt, also einer Aufheizung des Mikroklimas für die Anwohner, verbunden mit einer massiven Flächenversiegelung wertvoller der Frisch-/Kaltluftlieferung dienenden Ausgleichsflächen, sind einfach unbestreitbare Fakten, also das genaue Gegenteil von den in der „Klimaanpassungsstrategie 2021“ empfohlenen Maßnahmen.

5 ständig verkündete und leider naiv geglaubte Irrtümer zur Tiefengeothermie:

1. Ein Tiefengeothermiekraftwerk ist keineswegs wirtschaftlich oder energieeffizient, schon gar nicht im direkten Vergleich mit Stromgewinnung aus Wind- und Sonnenkraft, und weil, wie für Neureut eingeräumt, lediglich eine relativ bescheidene Menge an Netto-Strom eingespeist werden kann, da ein Anschluss an das Wärmenetz der Stadtwerke Karlsruhe (nach eigener Aussage) technisch fraglich, in jedem Fall sehr aufwendig und damit zugleich wirtschaftlich total unrentabel bzw. unsinnig ist.

2. Ein Tiefengeothermiekraftwerk ist nicht grundlastfähig, wie die Ja-Sager behaupten, da es bei Erdbeben, sonstigen Störfällen, Wartungsarbeiten und bei höheren Außentemperaturen (ab 25 Grad Celsius) herun­tergefahren werden muss und die reduzierte Stromerzeugung fast oder gänzlich zur Aufrechterhaltung des Betriebs verbraucht wird. Grundsätzlich verbraucht es 35,6% des erzeugten Stroms zum Betrieb, dieser Anteil wird aus dem Netz (dort ca. 40%-CO2-Strom-Anteil am Strom­mix) bezogen aber gleichzeitig dank der EEG-Umlage teuer verkauft – Greenwashing pur! Es ist eben keineswegs CO2-frei! Frau Lisbach hingegen behauptet einfach ent­waffnend naiv: eine „Geothermieanlage…benötigt für die Energieerzeugung keine fossilen Rohstoffe“! Woher weiß sie das?

3. Ein Tiefengeothermiekraftwerk ist nicht „nachhaltig“, wie von den eifrigen Ja-Sagern behauptet, da sich jeder angezapfte Hotspot nach ca. 20-30 Jahren, falls überhaupt so lange, erschöpft und erst über tausende von Jahren wieder „regeneriert“! In diesem kurzen Zeitabschnitt ist es ökonomisch unrealistisch, die Pro­jektkosten durch die angepeilten Stromerlöse zu amortisieren. Die Betreiber hoffen auf die EEG-Umlage, die vom Steuerzahler über die Strompreise finanziert wird. Mittel, die in tatsächlich klimaschonende Ener­giegewinnung mit Null-CO2-Emissionen investiert werden sollten. Und die Anwohner „genießen“ täglich die massiven „Anlage-Emissionen“!

4. Strom aus Tiefengeothermie ist nicht CO2-frei, wie eine weitere Ja-Sager-These lautet. Doch nicht eine raffinierte EU-Taxonomierung ist hier wichtig, sondern eine Bilanz des gesamten CO2-Fußabdrucks einer solchen Anlage, vom Beginn der Bohrungen bis zur Inbetriebnahme. Bei einer Bohrung bis in 4000 Meter Tiefe werden mindestens 400 Spezialstahlrohre à 10 Meter Länge benötigt, deren Produktion allein schon eine riesige CO2-Emission auslöst, dazu kommen die LKW-Transport-CO2-Emissionen, die CO2-und energie­aufwendige Produktion der riesigen Mengen des zu verwendenden Spezialzements, die injizierten Unmen­gen an Säuren (meist hochkonzentrierte Salzsäure), die Verwendung von Metallrohren ineinander zu einem sog. Multibarrierensystem zum angeblichen Schutz des Grundwassers, falls es „funktioniert“. Frau Lisbach: „Eine Gesamt-CO2-Bilanz wird…nicht verlangt werden, da dies kein genehmigungsrelevanter Aspekt ist“. Ja richtig, aber entscheidungsrelevant für die Widerlegung der Behauptung, Geothermiestrom sei CO2-frei! Da lügt sich die „grüne“ Bürgermeisterin etwas in die eigene Tasche!

5. Die bisherige Stromgewinnung aus Tiefengeothermie in Karlsruhe liegt bei 0,00%! Falls die Anlage in Neureut Strom liefert (rd. 1,5 MW im Sommer bis 4 MW netto sonst) wächst der Tiefengeothermie­stromanteil am gesamten Strommix dann auf 0,01%! Dies entspricht auch den Angaben des Bundeswirt­schaftsministeriums und der Statistik des Umweltbundesamtes vom Mai 2021, wonach der gesamte Stromanteil bundesweit erzeugten Geotiefenstroms nur bei 0,01% liegt! Frau Lisbach aber ist überzeugt: „Tiefengeothermie ist eine sinnvolle Option zur Nutzung regenerativer Energien“! Eine absolut absurde und peinliche Fehleinschätzung einer verantwortlichen Bürgermeisterin!

Wir haben in Karlsruhe Neureut mehrere tausend Flyer „Demnächst in Ihrer direkten Nähe“ (Anlage mit der Bitte um Kenntnisnahme) verteilt. Wir haben dabei unzählige persönliche Gespräche geführt, auch haben wir viele Rückmeldungen per Mail oder Brief erhalten. Die Haltung der Bürger*innen von Neureut (und dem angrenzenden Eggenstein) ist eindeutig: sie sind besorgt und haben Angst, natürlich besonders die Besitzer von Wohneigentum. Alle sind verärgert, dass sie bisher nicht informiert wurden und dass sie kein Mitspracherecht haben. Und viele sind teilweise fast wütend, dass die Politik ihre Heimat solch gravierenden Risiken aussetzt. Und diese Stimmung wächst! Insgesamt werden die Pläne auf breiter Basis abgelehnt. Eigentlich müssten Sie das von Böblingen (auch wenn es dort keine Tiefengeothermie war) her kennen...

Neben Neureut sind bisher noch 3 weitere Anlagen im Großraum Karlsruhe geplant (bis zu 15 sollen es insgesamt werden). In Graben-Neudorf wurden Gemeinde und Bürger*innen „überrumpelt“, der Bau des Werkes wurde leider schon begonnen. In Waghäusel-Wiesental wurde die Bevölkerung ebenfalls mit einer großangelegten Flyeraktion über die Pläne der Deutschen Erdwärme informiert, hier hat sich der Widerstand unter den Einwohnern aufgrund der frühzeitigen Information durch die IG Tiefengeothermie im Landkreis Karlsruhe früher und daher inzwischen noch breiter als in Neureut formatiert. In Dettenheim findet am 8.7. eine Informationsveranstaltung der Deutschen Erdwärme zu ihren Plänen statt. Bei dem geplanten Standort sind diverse Biotop-, Vogelschutz-, Naturschutzflächen und ein FFH-Gebiet direkt mit involviert bzw. angrenzend. Interessieren Naturschutz und Ökologie denn gar nicht mehr? Es ist kaum vorstellbar, dass die Einwohner*innen in Dettenheim das ohne heftigen Widerstand hinnehmen.

Basel, Landau, Insheim, Vendenheim (wie oft noch...?) - die Bürger*innen misstrauen jeder weiteren Versprechung „beim nächsten Mal wird es besser“ und lehnen die Tiefengeothermie für die Zukunft grundsätzlich ab.

Frau Walker, wir sind im Oberrheingraben sonnenverwöhnt, unsere Gegend eignet sich daher besser als jede andere in Deutschland zur Stromgewinnung durch Photovoltaik. Auch wurden im neu geschriebenen Windatlas neue Flächen zur Stromgewinnung durch Windenergie ausgewiesen. Die Politik sollte im Südwesten diese Richtungen weiterverfolgen! Sie sollte nicht das große Ganze durch die Förderung der ökologisch und ökonomisch unsinnigen, technologisch sowie gesellschaftlich aber hochriskanten Tiefengeothermie gefährden!

Mit vielen Grüßen aus Karlsruhe

Ihre Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie in Karlsruhe

Thomas Hans

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