Geothermie Landau

Rheinpfalz vom 25.11.2022 19.12.22

Offener Brief von Herrn Hüngerle an den Leiter der Rheinpfalz -Lokalredaktion- Landau Herrn Böckmann

 

Sehr geehrter Herr Böckmann,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich komme aus zeitlichen Gründen leider erst jetzt dazu, Ihnen Feedback auf Ihren Artikel vom 25.11.2022 „Nach Vorwürfen gegen Vulcan: Was ist dran am Umwelt-Frevel?“ zu geben.

 

Zunächst vorweg: Ich gehöre seit 11 Jahren ebenfalls einer Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie an und habe im Laufe der Zeit immer wieder Erfahrungen machen müssen, die ich zuvor nicht für möglich gehalten hätte aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema. Bekanntlich bilden sich Bürgerinitiativen immer dann, wenn die Politik versagt, und in den letzten Jahren haben sich hier sehr viele Interessensvertretungen zusammengefunden!

 

Nun zu Ihrem Artikel, der keineswegs neutral das, was vorgefallen ist, schildert, sondern zu einigen Aussagen der BI auch direkt eine Wertung abgibt. Was soll das? Ist es nicht eher so, dass seriöse und insbesondere neutrale Berichterstattung auch heute noch ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für guten Journalismus sind?

Ich möchte nicht auf den gesamten Inhalt Ihres Artikels eingehen, da das den Rahmen sprengen würde, wohl aber auf Ihre Einschätzung, dass die Fotos der BI keinen Natur-Frevel zeigen. Da sollten Sie sich aber dringend mit den Verordnungen von Naturschutzgebieten vertraut machen. Als kleine Unterstützung möchte ich direkt zwei Beispiele nennen, die in meinem Umfeld passiert sind:

 

Beispiel 1: Vor einigen Jahren war ein guter Bekannter zum Wandern im Pfälzer Wald unterwegs. Er hatte seinen PKW direkt neben dem  Totenkopf-Parkplatz abgestellt, da auf dem Parkplatz keine Lücke mehr frei war. Sein Fahrzeug befand sich also auf dem Waldweg, ohne Menschen oder Tiere zu behindern oder zu gefährden bzw. ohne Pflanzen zu zerstören oder ihnen auf irgendeine Art und Weise Schaden zuzufügen! Natürlich waren die Ordnungshüter schnell zur Stelle und haben diesen „Umwelt-Frevel“ direkt geahndet.

Allein die Tatsache, dass der PKW, ein Kleinwagen, außerhalb der festgelegten Markierung abgestellt wurde, reichte für eine Anzeige mit empfindlichem Bußgeld, nebst Punkten in der Verkehrssünder-kartei,  aus. Die Liste der Vergehen, die in dem dazugehörigen Bußgeldbescheid aufgeführt wurde, war wirklich lang und lesenswert!!!       

 

Beispiel 2: Auf der Ketscher Rheininsel, ebenfalls ein Naturschutzgebiet, wurde die damals noch minderjährige Tochter von Bekannten dabei „erwischt“, als sie am Wegesrand ein paar Löwenzahnblätter gezupft hat, die sie als Tierfutter für ihre Schildkröte sammeln wollte. Sie hat den offiziellen Waldweg nicht verlassen! Löwenzahn zählt bekanntlich zu den Wildkräutern (ugs. Unkraut), steht derzeit nicht unter Naturschutz und ist auch nicht vom Aussterben bedroht.

Da sich die Eltern gegenüber dem Ordnungshüter sofort einsichtig verhalten haben, blieb es dieses Mal noch bei einer Belehrung und mündlichen Verwarnung für diesen „Umwelt-Frevel“. Gleichzeitig wurde ihnen aber auch Bußgeld für den Wiederholungsfall angekündigt.

 

Sie sehen, es spielt überhaupt keine Rolle, ob Schäden angerichtet wurden oder nicht. Allein das Missachten von Vorschriften reicht aus, um gegen das Umweltgesetz zu verstoßen.

Wenn Sie aber nun die von mir genannten Umweltvergehen mit den vom Weg abgekommenen Rüttelfahrzeugen vergleichen, stellen Sie da nicht auch eine absolute Diskrepanz in der Verhältnismäßigkeit fest?

Ich frage mich daher immer wieder, was Sie Herrn Müller konkret vorwerfen, insbesondere, wenn man noch berücksichtigt, dass der Bundestag aktuell für ein Whistleblower-Gesetz gestimmt hat. Nüchtern betrachtet war Herr Müller also seiner Zeit schon vier Wochen voraus und hat nur das getan, für das unsere Bundespolitiker per Gesetz einen passenden Rahmen geschaffen haben!

 

Ich möchte es, was diesen Artikel betrifft, dabei belassen und Ihnen zugutehalten, dass Sie sich mit den ganzen Umweltbestimmungen nicht weiter befasst und nicht darüber nachgedacht haben.

 

Was ich aber auf keinen Fall so stehen lassen möchte, ist Ihr zusätzlicher Kommentar dazu. Schon die Überschrift „Alleinunterhalter Müller „ ist eine bodenlose Unverschämtheit. Für schlechte Unterhaltung haben Sie selbst mit Ihrem völlig unsachlichen  Kommentar gesorgt.

 

Das, was Sie als „aus einer Mücke einen Elefanten machen“ bezeichnen, bestätigt nur nochmals, dass Sie von Umweltbestimmungen und den Konsequenzen bei Nichtbeachtung scheinbar überhaupt keine Ahnung haben. Ich kenne keine Bürgerinitiative, die das nicht ebenfalls zur Anzeige gebracht hätte. Es zeigt aber auch, wie wenig Sie sich tatsächlich für die Risiken, Gefahren und Nachteile für Umwelt, Natur und für die betroffenen Menschen durch Geothermiebetriebe im seismisch aktiven, zerklüfteten Oberrheingraben, interessieren und das trotz der bisherigen Vorkommnisse in Landau und Insheim. Ob das, was hier passiert ist, ein Skandal ist oder nicht, klären Sie am besten mit dem zuständigen Umweltministerium direkt. Da kann es nur eine Antwort dazu geben.

 

Und welche Beweise, außer den Reifenabdrücken der Rüttelfahrzeuge, hätte Herr Müller auf die Schnelle sonst beibringen sollen??

 

Dann kommt aber das absolute  ‚no go‘. Sie teilen tatsächlich unerlaubt  personenbezogene Daten von Herrn Müller mit. Sie nennen seine Ausbildung/Beruf, dass er Inhaber eines Solaranlagen-Unternehmens ist und  dass Herr Müller bei der Geltendmachung seiner Hausschäden, verursacht durch das Landauer Geothermiekraftwerk, bei der Justiz bisher gescheitert ist und merken scheinbar noch nicht einmal, dass gerade das eines der Hauptprobleme unseres bestehenden Rechtssystems  und die Beweislastumkehr somit lediglich eine Farce ist. Recht haben und Recht kriegen sind bekanntlich zwei unterschiedliche Dinge. Ähnliches erleben seit nunmehr einem Jahr die betroffenen Menschen in der Ortenau, worauf hin sich neben der bestehenden Bürgerinitiative zusätzlich auch noch eine Selbsthilfegruppe geschädigter Bürger gebildet hat.

 

In einer Zeit, in der Gesetze gegen Hass und Hetze im Netz verabschiedet werden, scheuen Sie noch nicht einmal davor zurück, die Straße, in der Herr Müller wohnt, in Ihrem Kommentar ausdrücklich zu nennen.  Was wollten Sie damit eigentlich erreichen?

So etwas hat man in Deutschland noch nicht einmal bei der Berichterstattung von Gewaltverbrechern erlebt!

Was hat Sie da nur geritten und was sagt der Verhaltenskodex der Rheinpfalz Zeitung dazu?

Mit dieser Aktion haben ausdrücklich Sie sich disqualifiziert und nicht Herr Müller. Eins solche Entgleisung kann man allenfalls von einem Blogger, aber nicht von einem ausgebildeten Journalisten, erwarten.

Wäre Ihnen so ein Fauxpas als Arbeitnehmer in einem Unternehmen der freien Wirtschaft passiert, wären Sie bestenfalls mit einer schriftlichen Verwarnung davon gekommen.

 

Schlechte Politik in Verbindung mit schlechtem Journalismus sind leider häufig verantwortlich für schlecht informierte Bürger. Sie sollten daher dringend Folgendes verinnerlichen:

Nicht wer „Umweltfrevel“ anprangert, ist der Schuldige, sondern ausschließlich der, der den „Umweltfrevel“ begeht. Oder sehen Sie das etwa anders?

 

Anstelle Ihres überflüssigen Kommentars hätten Sie z.B. auch über die völlig überzogenen Prognosen der Vulcan Energy hinsichtlich der Lithiumgewinnung durch Tiefengeothermie im Oberrheingraben informieren können. Nachdem bereits im vergangenen Jahr der Finanzdienstleiter J Capital Research – ein früher Kritiker von Wirecard – die bisherigen Lithium-Prognosen von Vulcan Energy angezweifelt hat, bestätigt zwischenzeitlich auch eine Studie des KIT, dass nur ein Bruchteil dessen an Ausbeute tatsächlich zu erwarten ist. Mit solchen Informationen hätten Sie Transparenz geschaffen, womit allen gedient wäre, insbesondere auch den Anlegern.

Zum Abschluss noch ein Themen - Tipp für den kommenden Montag:

Berichten Sie über das Erdbeben in Insheim vom 17.12.2022. Stand jetzt hat der zuständige Landeserdbebendienst RLP die Daten nämlich noch nicht offiziell auf seiner Homepage bekannt-gegeben.

Vielleicht wollen Sie dort einmal recherchieren und auf die dringend notwendige Transparenz pochen.

 

Sie können dieses Schreiben gerne als offenen Brief unter Nennung meines Namens in der Rheinpfalz veröffentlichen. Ich verbiete Ihnen jedoch ausdrücklich die Bekanntgabe weiterer personenbezogenen Daten von mir wie Anschrift etc.

 

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Hüngerle

 

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